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Bemerkungen über die Süntelbuche:

Über den abnormen Wuchs der Buche in den Hülseder Gemeinde-Forsten, Amt Lauenau im Königreiche Hannover.
Pfeils Kritische Blätter für Forst- und Jagdwissenschaft, 19. Bd., 1. Heft, 1844.

Der Gemeinde Hülsede, welche 3400 Morgen Gemeinde Forsten besitzt, gehört auch der sogenannte Hülseder Berg, welcher bei einer Höhe von etwa 150-200 Fuß in südöstlicher, nördlicher und nordöstlicher Richtung meistentheils sanft abhängig ist, eine freie, ungeschützte Lage hat, und größtentheils mit Buchen bestanden ist.
Der Boden besteht unter einer geringen Humusschicht auf 12-14" Tiefe aus kalkhaltigem Thonboden auf Jurakalk ruhend.
An einigen Stellen ist der Boden etwas tiefgründiger, hat auch zum Theil eine gute Laubdecke, ist aber im allgemeinen trocken.
Das Gestein liegt platt, und die Baumwurzeln können in die Spalten und Risse desselben nicht eindringen.

An diesem Berge, sowohl auf der Höhe, als an den Abhängen desselben, befindet sich auf einer Fläche von etwa 600 Morgen ein 100 – 150jähriger Buchenbestand, in welchem sämmtliche Stämme einen so äußerst merkwürdigen Wuchs haben, dass es der Mühe werth ist, denselben zu beschreiben; denn es möchte wohl wenige Forstmänner geben, welche einen ähnlichen Wuchs der Buche auf einer so bedeutenden Fläche zu sehen Gelegenheit gehabt haben.
Sämmtliche Stämme sind mehr oder minder so krumm gewachsen, dass aus der ganzen Bestandsmasse, nach meiner Ansicht, nicht 1 Stück gerades Holz in 4füßigen Scheitlängen gespalten werden kann, und haben eine Kronenbildung, welche der Traueresche ähnlich ist.
Es ist nicht möglich, eine getreue Beschreibung dieses merkwürdigen Baumwuchses  ohne Zeichnungen zu geben, wovon ich mich bei Besichtigung des Bestandes auf den ersten Blick überzeugte, und deshalb die anliegenden Zeichnungen davon an Ort und Stelle anfertigte.

Ich habe zu diesen Zeichnungen keineswegs die am merkwürdigsten gewachsenen Stämme ausgewählt, kann im Gegentheile versichern, dass eine sehr große Zahl der vorhandenen Stämme einen noch bei weitem abnormeren Wuchs haben.
Bei dieser Erscheinung muß sich jedem denkenden Beobachter die Frage aufdringen, welche Ursachen einen solchen Baumwuchs veranlassen können.
Der Boden kann seiner Flachgründigkeit wegen, auch weil er über 50 Pet Thon enthält, nicht zu den besten Qualitäten, welche einem üppigen Baumwuchse entsprechen, gerechnet werden. Die Flachgründigkeit desselben ist dadurch schon unverkennbar, dass die Wurzeln der Bäume sehr flach unter dessen Oberfläche und ein großer Theil derselben auf demselben, gleich den Wurzeln der Zitterpappel, liegen.

Indessen ist die Bodenbeschaffenheit nicht der Art, dass der krumme Wuchs der Stämme sogleich mit Bestimmtheit demselben zugeschrieben werden kann, denn dieser besitzt keineswegs so wenig Produktionskraft, dass der zu den schlechteren Boden Qualitäten gezählt werden könnte.
Die 100 -150jährigen Stämme haben in den letzten Jahren noch so starke Jahresringe aufgelegt, als sie auf gutem Boden kaum zu erwarten sind, und wenn sie nur gerade gewachsen wären, dann würde auch deren Höhenwuchs einem solchen entsprechen.

Wegen den zum Theil sehr kräftigen Baumgestalten sprechen die meisten Beobachter derselben ihre Ansichten dahin aus, daß deren abnormer Wuchs nicht aus den Einflüssen des Bodens herzuleiten sei, und aus dem Samen derselben würden auf jedem anderen Boden gleich krumme Stämme erwachsen. Diese Ansichten sollen sich dadurch rechtfertigen lassen, daß in den vorhandenen, jungen, durch natürliche Besamung erzogenen Beständen von 6 – 10 Jahren die Stämme, deren Wurzeln noch nicht das unterliegende Gestein erreicht haben, sondern sich noch in der besseren Bodenschichte befinden, schon so krumm gewachsen sind, daß sie dem krummen Wuchse der Mutterstämme nicht nachstehen werden. Die mit Maaßstab versehene Abbildung von einem jungen Stamme, welche ich mit leichter Mühe in dem jungen Nachwuchse erzogen habe, zeigt den meistentheils vorherrschenden Wuchs desselben.

Es läßt sich hierdurch nur beweisen, daß auf dem vorliegenden Boden allerdings von dem Samen der krummen Stämme wieder abnorme Baumgestalten erwachsen, zugleich aber auch, daß in der exponirten Lage nicht die Ursache dieser Erscheinung zu suchen ist; denn solche hat noch keinen wirksamen Einfluß auf den jungen Bestand ausüben können, was auch schon dadurch sich hinlänglich ergiebt, daß in der Nähe vorhandene junge und alte Bestände unter gleicher Lage einen ganz natürlichen Wuchs haben.

Obgleich ich den vorhandenen Boden nur für kalkhaltigen Thonboden auf Jurakalkstein mit vielen Quarzadern durchzogen ruhend, ohne weitere Beimischung anderer, dem Holzwüchse nachtheiliger Bestandtheile, erkennen kann, auf welchem ich bei gleicher Tiefgründigkeit an andern Orten mehrfach sehr gute alte Bestände gefunden habe; so glaube ich mich dennoch dahin aussprechen zu müssen, daß dem Boden oder dessen Unterlage allein der merkwürdige  Baumwuchs zuzuschreiben ist; denn ich habe zwischen den Buchen auch eine Hainbuche von sehr abnormem und dem der Buchen sehr ähnlichen Wuchse gefunden und glaube, daß darin ein hinlänglicher Beweise für die Richtigkeit meiner Ansicht liegt.
Ich halte den krümmen Wuchs der Stämme für einen krankhaften Zustand derselben, gestehe aber zugleich ein, daß ich einen Grund für die Entstehung desselben schon in den ersten Lebensjahren nicht anzugeben vermag.

Vielleicht befinden sich in dem unterliegenden Gesteine viele Schluchten, welche einen Luftzug unter dem Bestande veranlassen, dadurch dem Boden einen zu hohen Kältegrad geben, auch dem Eindringen der Wurzeln hinderlich sind und den krankhaften Zustand erzeugen.
Von einigen sehr krummen Stämmen habe ich Bucheln sammeln und in einem sehr sandreichen, feuchten Lehmboden, auf welchem die Buche sehr gut wächst, aussäen lassen. Bis jetzt haben die Stämme sämmtlich ein sehr gesunden Ansehen und sind auch gerade gewachsen. Ob sie auch den Mutterstämmen ähnlich werden, muß die Zukunft lehren.
Von den bedeutenden Buchen=Hochwäldern, welche ich zu sehen Gelegenheit hatte, habe ich Bestände der Art unter den ungünstigsten Standortverhältnissen angetroffen, aber Abnormalitäten, welche mit der hier in Rede stehenden die geringste Aehnlichkeit zeigen, habe ich nie gefunden.

Mir erscheint dieser sehr krumme Baumwuchs auf einer mehrere hundert Morgen großen Fläche sehr merkwürdig und einer Untersuchung zur Ermittelung der Gründe derselben werth, wozu ich hoffe, durch vorstehende Beschreibung die nächste Veranlassung zu geben. *

Eschede, im Fürstenthum Lüneburg, im September 1843.  E. Tilemann, Oberförster.
(Aus der Literatursammlung von Gerhard Dönig, Erlangen)
(*Anmerkung: 1842 besuchte Tilemann den Süntel, nicht ahnend, dass Monate später der ganze Bestand gerodet werden sollte. Veröffentlicht wurde dieser Bericht  1844 nach der Rodung der Westeregge.)


Clementine Freifrau von Münchhausen, 1911
Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, Nr. 20 (Ausschnitt)

"Wir fahren zur Süntelbuche" heisst es, wenn ein neuer Gast uns in Apelern besucht und ihm das Interessanteste, was die Gegend bietet, vorgeführt werden soll, - sei es nun, dass er Naturfreund ist und Verständnis hat, oder dass ihm Verständnis und Naturfreundschaft erst beigebracht werden müssen, was aber erfreulicher Weise nicht oft nötig ist. (.....)
Das ist die Süntelbuche. Sie steht nahe der Höhe des Süntel auf einem Abhang, der sich nach Norden zu sanft zu Tale senkt. Wenige Schritte oberhalb ihres Standortes ist eine sumpfige Stelle im Erdreich.
Über ihre Vorgeschichte kann ich leider wenig sagen. Mein Mann hat Apelern und das dazu gehörige Nienfeld erst im Jahr 1886 aus dem Erbe eines entfernten Lehnsvetters angenommen, so dass in mündlicher Überlieferung nichts auf uns gekommen ist.
Wir fanden die schöne eigenartige Buche damals als alten, in der ganzen Gegend bekannten Baum dort vor. Um den Stamm herum war auch damals schon eine Rasenbank (ohne Rasen bei dem dichten Schatten!), die der Baum zum Glück nicht übel genommen zu haben scheint. Steht man darunter, so ist der Blick in das Astwerk überaus interessant. Da wächst so ein Ast ein paar Meter lang zielbewusst nach Westen, dann fällt ihm ein, das könnte doch ein Irrtum sein, und er biegt rasch entschlossen im rechten Winkel um nach Süden. Und nach noch nicht einem halben Meter kommt ihm eine neue Laune, und wieder biegt er im rechten Winkel ab, vielleicht nach Osten zurück,- das alles in ungefähr horizontaler Lage -, und dann fällt ihm ein, dass Luft und Licht auch schöne Dinge sind, und er strebt nach oben, - womit er aber nicht weit kommt.
Diese älteste Süntelbuche hat 1m über der Erde einen Umfang von 4,40m, Kronenumfang gut 77m, Höhe des Baumes, wie der Förster schreibt, über 12 m. Hiernach wächst sie noch freudig. (.....)
Sie teilt sich 2m über der Erde in zwei Hauptstämme, die sich bald weiter verästeln. Der eine davon ist etwas hochwüchsiger als der andere, so dass von einer gewissen Entfernung, von Norden aus gesehen, der Baum wie ein Berg mit einem nach Osten damit verwachsenen etwas niedrigeren Vorberg aussieht. Die Äste hängen jetzt ganz bis zur Erde, was früher durch Verbiss der Schafe nicht der Fall war. (.....)
Ein hübsches Exemplar, etwa 30-40 jährig, im Garten der Domäne zu Lauenau am Deister, einer alten Wasserburg mit zwei Gräben, zwischen denen der Garten schmal und ringförmig sich hinzieht. Dieses Exemplar liegt wie eine Halbkugel auf der Erde, ist höchstens 1,50 m hoch, aber mindestens früher durch Schnitt in dieser Form gehalten worden.
(Aus der Literatursammlung von Otto von Blomberg, Auetal)


Bernhard Flemes, Hameln, 1934 (Ausschnitt)

In einer Zeit, die uns vom Dämmer des Anbeginns umsponnen ist, lag auf dem Dachtelfelde der Ur-Riese. Er war ein unendlich langer, urgewaltiger Kerl. Lang und schwer lag er auf dem Dachtelfelde, viel tausend Jahre, war da und sann aus den Dunkelheiten seines Wesens ins Helle. Was er sann - wer kann es wissen! Die Wälder vergingen um ihn herum und wuchsen wieder neu. Von der eigenen Schwere sank der Gewaltige tief in den Erdboden ein. Immer müder wurde er und sank alle hundert Jahre einen halben Zentimeter tiefer ein. Er wusste, dass es sein Schicksal war, zu versinken, unterzugehen. Es war das Schicksal alles lebendigen. Er fügte sich drein. Nach einem hatte er sich immer heimlich gesehnt, dass man in kommenden Zeiten von ihm wissen möchte, dass Wesen da wären, die sich der Urkraft jener Zeiten erinnern könnten, die um ihn dahingerauscht waren. Gab es denn solche Wesen, die sein Dasein in sich aufzunehmen und zu bewahren vermochten? Die Tiere konnten es nicht. Sie waren nur Regung der Urnatur, die ihn umgab. So löschte sein Leben bis auf das letzte Glimmen seiner Augen langsam aus und wurde der stummen Erde immer vertrauter, die um ihn war.
Eines Tages erklang in den stillen Wäldern etwas, das dort nie gehört worden war. Es war der Klang von Äxten. Da erwachte er noch einmal und er sah lebendige Wesen, die nicht Tiere waren. Aufrecht gehende Zweibeiner waren es, ganz hell, mit Augen wie Quellgeblink und sonnigen Haaren. Und da wusste der Riese: Diese waren es, die sein Urwesen begreifen mussten, die fähig sein würden, von ihm zu zeugen. Dem Riesen fielen die Augen zu und taten sich nicht wieder auf. In sein vergehendes Herz war ein Bucheckerlein gesunken.
Diesem Sämlein gab der Riese seine ganze Kraft, die Wildheit seines Lebens, die Vollkommenheit seines Wuchses und seine herrliche Einsamkeit. Aus dem Sämlein wurde die Süntelbuche.
(Aus der Literatursammlung von Otto von Blomberg, Auetal)


H. Junge: Die Süntelbuche, Hannoversche Zeitungsbeilage „Feierabend“, ca. 1942 

Prof. Dr. Dieckhoff schreibt in seinem Führer durch das Oberwesergebiet: „Der auf einem rings von Fichten umgebenen Platze stehende gewaltige Baum mit knorrigem Stamm und wunderbar krummen Ästen hat eine Krone von 16 Metern Durchmesser. Die interessante, nur am Süntel vorkommende Buchenart ist schon von der Keimpflanze an gekrümmt und liefert nur Brennholz. Daher hat man die früheren, großen Bestände durch andere Bäume ersetzt.“

Die Ansichten des Herrn Dieckhoff beruhen aber in mancher Hinsicht auf einem Irrtum. Die Süntelbuche (Fagus silvatica tortuosa „Dippel“) auch „Schlangenbuche“, in Frankreich „tolle Buche“ oder „windende Buche“ (hêtre tortillard) genannt, führt eine Firma in Ostfriesland auch als „Fagus silvatica suentelensis“. Sie ist spontan als Zufallssämling entstanden (Mutation), und deutsche wie französische Botaniker schätzen nach ihren Versuchen, daß etwa 30-50 Prozent der Nachzuchten aus Samen die spiralig gewundenen Zweige und den knorrigen Wuchs einer Hainbuche (Carpinus betalus) zeigen. Jedenfalls ist die Süntelbuche keine Art, und sie ist auch nicht allein im Süntelgebirge beheimatet. Sie scheint sich aber nur auf stark kalkhaltigen Böden und auch da  nur im Mittelwald zu erhalten. Sie ist bekannt bei Metz als „tolle Buche“, in Nancy als „windende Buche“. Die „windende Buche“ im Forstgarten zu Nancy ähnelt im Aussehen unserer Süntelbuche aufs Haar.

Professor von Tubeuf, München, hielt es für wahrscheinlich, daß die Süntelbuchen aus Bucheckern hervorgegangen sind, die an sogenannten „Buchen-Hexenbesen“ erwachsen sind.

Die in meiner engeren Heimat stehende berühmte Süntelbuche unweit des Dorfes Raden, am besten von der Bahnstation Messenkamp zu erreichen, schätze ich auf etwa 250 Jahre. Diese wohl älteste Süntelbuche hat, 1 Meter über der Erde gemessen, einen Stammumfang von 4,50 Meter und einen Kronenumfang von etwa 80 Meter. Die Höhe des Baumes beträgt, wie Freifrau von Münchhausen in dem Jahrbuch der deutschen dendrologischen Gesellschaft schreibt, 12 Meter. Diese Messung ist etwa 1910 vorgenommen. Ein prächtiges Gemälde des bekannten Architekten und Malers Hauschteck, das diesen Baum darstellt, befindet sich als besonderes Schmuckstück im Rathaus zu Hameln. Das Bild zeigt so recht den „tollen“ Wuchs des Stammes und der Äste und man kann sich vorstellen, daß unsere Vorfahren, die Germanen, solche urwüchsigen, alten Baumriesen als Symbol der Unsterblichkeit auffassten.

Außerordentlich interessant war es mir, in dem herrlichen, viele alte Bäume beherbergenden Park von Bad Nenndorf eine größere Anzahl 30-90 Jahre alter Süntelbuchen anzutreffen. Eine Aufnahme erläutert besser als Worte diese eigenartig schönen Naturwunder, die jedem Naturfreund Ehrfurcht einflößen müssen. Der als Dendrologe bekannte Gartenverwalter von Bad Nenndorf, Thon, ist der Ansicht, daß 25-30 Prozent Sämlinge der Süntelbuche sich echt vererben, während die übrigen Sämlinge in die Urform der Rotbuche oder Waldbuche (Fagus silvatica) zurückschlagen.

Unsere schöne Heimat Niedersachsen beherbergt viele alte Baumriesen, die unter Naturschutz gestellt sind, aber selten habe ich in meinen langen Wanderjahren in Deutschland und im Ausland einen solch ehrwürdigen Baumriesen bewundert wie unsere „Süntelbuche“.

(Aus der Literatursammlung von Gregor Kuhn, Bad Münder)

 
   
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